Wie sich Unfruchtbarkeit auf ein Paar auswirkt
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Unfruchtbarkeit als die „Unfähigkeit, nach mindestens 12 Monaten regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs eine Schwangerschaft zu erreichen“. Schätzungen der obersten Gesundheitsbehörde zufolge haben weltweit bis zu 48 Millionen Paare mit Unfruchtbarkeit zu kämpfen. Heute besprechen wir, wie sich Unfruchtbarkeit auf ein Paar auswirken kann und stellen einige Überlegungen dazu an.
Unfruchtbarkeit wirkt sich sowohl auf persönlicher Ebene als auch auf der Beziehungsebene aus. Empfängnisschwierigkeiten betreffen also sowohl die einzelne Person als auch die Beziehung als Ganzes. Es gibt viele Möglichkeiten, wie sich Unfruchtbarkeit auf ein Paar auswirken kann – wir zeigen in den folgenden Absätzen sieben Möglichkeiten auf, die Fachleute im Vorfeld für uns überprüft haben.
Sieben Möglichkeiten, wie sich Unfruchtbarkeit auf ein Paar auswirkt
Es gibt in englischsprachigen Studien Hinweise darauf, dass Frauen im Laufe der Zeit emotional stärker beteiligt sind und eine größere Unzufriedenheit empfinden als Männer, wenn sie mit dem Thema Unfruchtbarkeit konfrontiert werden.
Der Umstand, keine Nachkommen haben zu können, wird traditionell mit Konflikten und Problemen in Paarbeziehungen in Verbindung gebracht. In einer solchen Situation braucht das Paar enge Unterstützung, sodass das Fehlen dieser Hilfe oftmals zu verschiedenen Konsequenzen führt.
In dieser Hinsicht gibt es eine große Variationsbreite. Tatsächlich gibt es so Möglichkeiten, dass wir sie in diesem Artikel nicht alle aufführen können. Die Folgen von ungewollter Kinderlosigkeit fallen den Forschenden zufolge unterschiedlich aus, wenn die Unfruchtbarkeit die Frau, den Mann oder beide betrifft.
Die Erwartungen bezüglich Mutterschaft und Vaterschaft, dem Alter, dem sozioökonomischem Niveau, dem Bildungsniveau, der Persönlichkeit und dem Kommunikationsverhalten zwischen den Partnern sowie die Dauer der Beziehung sind weitere Variablen, die den Prozess beeinflussen.
Nach dieser Einleitung ergibt es durchaus Sinn, dass Unfruchtbarkeit ein Paar von verschiedenen Seiten beeinflusst. Dazu kommt, dass nicht alle Beziehungen auf das Problem auf die gleiche Weise reagieren. Hier besprechen wir im folgenden sieben Möglichkeiten, wie sich die Unfruchtbarkeit eines Paares auf ihre Beziehung auswirken kann.
1. Angst, dass die Beziehung daran zerbrechen wird
Wie Fachleute in einer englischsprachigen Studie betonen, ist die Angst vor dem Beziehungsende eine der Hauptfolgen der Unfruchtbarkeit für das Paar. Tatsächlich denken beide Partner wechselseitig, dass eher früher als später einer von beiden die Beziehung beenden wird. Um sich dann anschließend jemanden zu suchen, mit dem man ohne größere Probleme Kinder bekommen kann.
Es gibt keine neueren Studien darüber, wie häufig Partner sich nur aufgrund der Diagnose Unfruchtbarkeit trennen, aber man nimmt an, dass das weniger häufiger vorkommt, als man im Allgemeinen denkt.
Generell gesehen, ist es die Summe der Folgen (die wir gleich sehen werden), die den Moment der Entscheidungsfindung, sich zu trennen, beeinflusst. In jedem Fall gehört die Angst vor dem Verlassenwerden zu den möglichen Auswirkungen, die Unfruchtbarkeit auf ein Paar haben kann.
2. Unfruchtbarkeit führt zu finanziellen Problemen
Obwohl es stimmt, dass finanzielle Probleme nicht nur bei Paaren mit Empfängnisproblemen auftreten, treten sie bei dieser Gruppe tatsächlich sogar häufiger auf.
Der Grund hierfür ist ganz einfach: Facharztbesuche, ärztliche Untersuchungen, Fahrten in Kinderwunschkliniken, Behandlungen und alternativmedizinische Möglichkeiten sind Kostentreiber innerhalb der Beziehung.
Daher sind Paare häufig Schwankungen in ihrem wirtschaftlichen Wohlergehen ausgesetzt. Dies wirkt sich zusätzlich negativ aus, da es womöglich bereits übernommene finanziellen Verpflichtungen gibt (z. B. Abzahlung einer Hypothek).
Dies führt zu Streit, Kämpfen und Frust darüber, dass man sich die Ausgaben nicht leisten kann, die versprechen, die Chancen auf eine Empfängnis zu erhöhen. Berücksichtige dabei, dass nur wenige Versicherungen diese Kosten übernehmen und die Folgen einer Verschuldung Jahre oder Jahrzehnte andauern können.
3. Es treten Meinungsverschiedenheiten darüber auf, wie und wann die Unfruchtbarkeit “offiziell” gemacht wird
Unfruchtbarkeit ist immer noch von einem großen sozialen Stigma umgeben. Von Paaren, die angedeutet haben, ein Kind zu bekommen, wird erwartet, dass das Vorhaben umgesetzt wird. Das Paar bekommt den Eindruck, die Familie, Freunde und Kollegen erwarten dies von ihnen.
Daher kann es sein, dass sich das Paar schämt, zu berichten, dass es Probleme damit hat, ein Kind zu bekommen. Beide Partner können infolge beschließen, ein “offizielles Statement” darüber zu verschieben, um es weiterhin mit natürlichen Techniken oder der Reproduktionsmedizin zu versuchen.
Dies kann zur Isolation des Paares führen. Das heißt, die Partner reduzieren die Häufigkeit, mit der sie sich mit ihrem engsten Kreis treffen, aus Angst, dass Fragen zum Verlauf des Vorhabens “Schwangerschaft” auftauchen könnten.
Dies führt zunächst nicht zu so vielen internen Meinungsverschiedenheiten, aber im Laufe der Wochen oder Monate möchte einer der beiden seinen Lieben die “gute Nachricht” mitteilen. Dann gibt es neuerliche Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten über das Thema.
4. Die Partner leiden unter Anspannung und Stress
Es gibt Hinweise darauf, dass Probleme mit Unfruchtbarkeit fast immer zu psychischen Folgen führen. Die ersten Anzeichen sind Anspannung und Stress, was weiterhin zu Schuldgefühlen, Bedauern, geringem Selbstwertgefühl, Gefühlen des persönlichen Versagens, Angst und Depression führen können.
All diese emotionalen Reaktionen bleiben erwartungsgemäß bei der Beurteilung des Wohlbefindens in der Beziehung nicht unbemerkt. In diesen Kontexten neigen Paare zu verschiedenen Verhaltensweisen:
- sich zu isolieren
- die Kommunikation zu reduzieren
- dem anderen die Schuld zu geben
- zu streiten
- die ganze Schuld auf sich zu nehmen
- Vorwürfe zu machen, weil man es nicht früher versucht hat
- und ständige Streitereien vom Zaun zu brechen, die zur Verschlechterung der Beziehung führen.
5. Es kommt zu Rückzug und einem verminderten Selbstkonzept
Forscher*innen haben herausgefunden, dass Menschen mit Unfruchtbarkeit ein Rückzugsverhalten und ein vermindertes Selbstkonzept (die Vorstellung, die eine Person von sich hat) entwickeln.
Sozialer Druck und bestimmte Paradigmen können dir suggerieren, dass du nur dann ein Mann oder eine Frau bist, wenn du die Fähigkeit hast, Nachkommen hervorzubringen. Wenn dies aus dem einen oder anderen Grund nicht möglich ist, dann kann sich die Vorstellung “einnisten”, dass man nicht “Manns bzw. Frau” genug ist.
Diese Vorstellung ist weit verbreitet, auch bei Menschen, die zunächst nicht so denken. Nimmt man diese Kriterien für sich an, kann das zur Folge haben, dass man einem stärkeren Rückzug auf allen Ebenen und einer Verringerung des Selbstkonzepts ausgesetzt ist. Wie erwartet, wirkt sich dies auch alles direkt auf die Beziehung aus.
6. Es entstehen Probleme mit dem sexuellen Wohlbefinden
Der Empfängnisdruck verändert auch das sexuelle Wohlbefinden in der Beziehung. Der Stress und die Angst, die den Prozess begleiten, können zu sexueller Dysfunktion führen.
Dies bedeutet, dass einer oder beide folgende Störungen entwickeln:
- sexuelle Luststörungen (wenig oder kein Interesse an Sex)
- Erregungsstörungen (Unfähigkeit, Erregung zu erreichen oder aufrechtzuerhalten)
- Orgasmusstörungen (Probleme, diese zu erreichen)
- Schmerzstörungen (grundsätzlich bei Frauen).
Die umfangreichen Bemühungen, ein Kind zu zeugen, können den Liebesakt auch in eine mechanische Praxis verwandeln. Die Folge davon ist ein abnehmendes Interesse am Sex, da das sexuelle Wohlbefinden in direktem Zusammenhang mit dem Wohlbefinden des Paares im Allgemeinen steht. Dies ist eine der Folgen der Unfruchtbarkeit bei einem Paar, über die selten gesprochen wird, die aber bei allen Betroffenen sehr präsent ist.
7. Es gibt Meinungsverschiedenheiten darüber, wie man am besten Hilfe sucht
Man geht davon aus, dass es sich um eine mögliche Unfruchtbarkeit handelt, wenn ein Paar nach einem Jahr ungeschütztem Geschlechtsverkehrs nicht in der Lage war, schwanger zu werden. Nicht alle Paare suchen in diesen Kontexten medizinische Hilfe. Das liegt daran, dass manche der beiden Beteiligten dies viel früher oder viel später tun möchten. Diese Meinungsverschiedenheiten sind häufig und eine permanente Quelle von Kämpfen und latenten Konflikten.
Es gibt viele andere Möglichkeiten, wie sich Unfruchtbarkeit auf eine Beziehung auswirkt, aber dies sind die wichtigsten. Wenn sich nach einem Jahr bei dir keine Schwangerschaft ergibt, zögere nicht, deine Ärztin oder den Arzt deines Vertrauens zu konsultieren.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Problem anzugehen. Dafür ist es sehr wichtig, die Ursache herauszufinden. Scheue dich nicht, dich (rechtzeitig) nach Unterstützung umzusehen, denn meistens lässt sich etwas dagegen tun.
- Ashraf DM, Ali D, Azadeh DM. Effect of infertility on the quality of life, a cross- sectional study [published correction appears in J Clin Diagn Res. 2015 Aug;9(8):ZZ02]. J Clin Diagn Res. 2014;8(10):OC13-OC15.
- Anokye R, Acheampong E, Mprah WK, Ope JO, Barivure TN. Psychosocial effects of infertility among couples attending St. Michael’s Hospital, Jachie-Pramso in the Ashanti Region of Ghana. BMC Res Notes. 2017;10(1):690. Published 2017 Dec 6.
- Hasanpoor-Azghdy SB, Simbar M, Vedadhir A. The emotional-psychological consequences of infertility among infertile women seeking treatment: Results of a qualitative study. Iran J Reprod Med. 2014;12(2):131-138.
- Hirsch AM, Hirsch SM. The effect of infertility on marriage and self-concept. J Obstet Gynecol Neonatal Nurs. 1989 Jan-Feb;18(1):13-20.
- Tao P, Coates R, Maycock B. Investigating marital relationship in infertility: a systematic review of quantitative studies. J Reprod Infertil. 2012;13(2):71-80.